Statistik für Interessierte (Mediziner)
In medizinischen Studien werden regelmäßig die Begriffe RRR und ARR verwendet.
Die Begriffe relative Risikoreduktion (RRR) und absolute Risikoreduktion (ARR) sind zentrale Konzepte in der Medizin und Epidemiologie, um die Wirksamkeit von Behandlungen oder Interventionen, wie zum Beispiel der Einsatz von Medikamenten, zu bewerten. Beide Begriffe beschreiben auf eine wissenschaftlich Art und Weise, wie stark das Risiko für ein bestimmtes Ereignis durch eine Maßnahme verringert wird. Ärzte können an Hand dieser Daten abwägen welche Therapie für welche Personen sinnvoll ist.
Lassen Sie uns beide, RRR und ARR, näher betrachten und am Ende eine statistische Berechnung auf Grundlage der Ergebnisse der Impfstoffstudie von BionTech-Pfizer durchführen.
1. Absolute Risikoreduktion (ARR)
Die absolute Risikoreduktion ist die Differenz der Ereignisraten zwischen zwei Gruppen (z. B. einer Behandlungsgruppe und einer Kontrollgruppe). Sie gibt an, wie viel Prozentpunkte das Risiko durch die Intervention tatsächlich verringert wird.
ARR = Risiko in der Kontrollgruppe − Risiko in der Behandlungsgruppe
Beispiel:
- In einer Studie erkranken 20 % der Patienten in der Kontrollgruppe (ohne Behandlung).
- In der Behandlungsgruppe erkranken nur 10 %.
ARR = 20% − 10% = 10%
Interpretation: Die Behandlung verringert das Risiko für die Krankheit um 10 Prozentpunkte.
2. Relative Risikoreduktion (RRR)
Die relative Risikoreduktion beschreibt den prozentualen Unterschied im Risiko zwischen der Behandlungsgruppe und der Kontrollgruppe im Verhältnis zum Risiko der Kontrollgruppe. Sie zeigt, wie viel Prozent des ursprünglichen Risikos durch die Behandlung reduziert wurden.
RRR = (Quotient von ARR und Risiko in der Kontrollgruppe) × 100
Beispiel:
- Risiko in der Kontrollgruppe: 20 %
- Risiko in der Behandlungsgruppe: 10 %
- ARR: 10 Prozentpunkte
RRR = (10% / 20%) × 100 = 50%
Interpretation: Die Behandlung reduziert das Risiko relativ um 50 %.
Hauptunterschiede
Eigenschaft | Absolute Risikoreduktion (ARR) | Relative Risikoreduktion (RRR) |
Definition | Tatsächliche Differenz der Risiken | Prozentualer Rückgang des Risikos |
Aussagekraft | Gibt die konkrete Risikoveränderung in Prozentpunkten an | Zeigt die prozentuale Effizienz der Behandlung |
Kontextabhängigkeit | Bezieht sich auf die reale Ausgangslage | Wirkt oft eindrucksvoller, da sie relativ ist |
Beispielwirkung | ARR = 10 % | RRR = 50 % |
3. Zusammenhang mit der Number Needed to Treat (NNT)
Die absolute Risikoreduktion wird oft verwendet, um die Number Needed to Treat (NNT) zu berechnen, also die Anzahl der Patienten, die behandelt werden müssen, um ein unerwünschtes Ereignis zu verhindern:
NNT = 1 / ARR
- In unserem Beispiel: ARR = 10% = 0,1, also NNT=10
- Das bedeutet: 10 Patienten müssen behandelt werden, um 1 Fall zu verhindern.
Praktische Bedeutung
- ARR ist oft hilfreicher für Ärzte und Patienten, da sie die tatsächliche Wirkung der Behandlung zeigt.
- RRR kann irreführend sein, wenn das Ausgangsrisiko (Baseline-Risiko) sehr niedrig ist, da die relative Reduktion groß erscheinen kann, obwohl die absolute Veränderung gering ist.
Beispiel zur Veranschaulichung:
- Kontrollgruppe: 0,2 % erkranken.
- Behandlungsgruppe: 0,1 % erkranken.
- ARR: 0,2 % – 0,1 % = 0,1 Prozentpunkte.
- RRR: 0,1%/0,2% × 100=50%
- Interpretation: Obwohl die relative Risikoreduktion beeindruckend klingt (50 %), ist die absolute Reduktion klein (nur 0,1 Prozentpunkte), was die tatsächliche Wirksamkeit der Behandlung relativiert.
Nach dieser Veranschaulichung können wir dies nun auf die Daten der BioTech-Pfizer-Studie anwenden (Sicherheit und Wirksamkeit des mRNA-Impfstoffs BNT162b2 gegen Covid-19 | Neuengland Zeitschrift für Medizin, https://www.nejm.or/doi/full/10.1056/NEJMoa2034577)
Aus der Studie erhalten wir folgende Informationen: „Insgesamt wurden 43.548 Teilnehmer randomisiert, von denen 43.448 Injektionen erhielten: 21.720 mit BNT162b2 und 21.728 mit Placebo. Es gab 8 Fälle von Covid-19 mit Beginn mindestens 7 Tage nach der zweiten Dosis bei den Teilnehmern, die BNT162b2 erhielten, und 162 Fälle bei denen, die Placebo erhielten;…“
Ergebnisse:
- Risiko in der Kontrollgruppe: 0.00746 (0,746 %)
- Risiko in der Behandlungsgruppe: 0.00037 (0,037 %)
- Absolute Risikoreduktion (ARR): 0.00709 (0,709 Prozentpunkte)
- Relative Risikoreduktion (RRR): 95,06 %
Interpretation:
- Die Behandlung reduziert das Risiko absolut um 0,709 Prozentpunkte.
- Relativ betrachtet bedeutet dies eine 95,06 %ige Reduktion des Risikos, in der Behandlungsgruppe zu erkranken. In den Medien wurde hier häufiger von einer 95% Sicherheit gesprochen.
- Die Number Needed to Treat (NNT) beträgt etwa 141. Das bedeutet, dass 141 Personen behandelt werden müssen, um eine Erkrankung zu verhindern.
- Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) lebten zum Jahresende 2021, im Jahr der Coronapandemie, rund 83,2 Millionen Personen in Deutschland. Demnach wären statistisch (0,74 % von 83,2 Millionen) 615.680 Erkrankungsfälle zu erwarten gewesen. Wären alle Menschen in Deutschland geimpft worden, wären statistisch nur (0,037 % von 83,2 Millionen) 30.784 Personen erkrankt. Somit konnten durch die Corona-Impfung statistisch 584.896 Krankheitsfälle verhindert werden.
- In Deutschland betrug die Fallsterblichkeitsrate CFR gemäß Angaben aus STATISTA rund 0,48 %. Demnach war durch die Impfmaßnahmen zu erwarten, dass ca. 280.750 Personen das Leben hätte gerettet werden können.
In weiteren Beiträgen werden wir diese Statistische Zahlen verwenden, um Statistik und Realität miteinander abzugleichen. Die Zahlen bieten den Vorteil, dass Sie auf der Sachebene sind und frei von emotionalen Entrüstungen betrachtet werden können.